18. Februar 2024

Identität

Stolz sitze ich mit meinem Scheidungsurteil vor der netten Dame im Bürgerbüro. „Sie brauchen eine Namensänderungsbescheinigung. Erst dann kann ich Ihren neuen Ausweis beantragen.“ … Namensänderungsbescheinigung. Gruseliges Wort. „Dafür müssen Sie persönlich zum zuständigen Standesamt.“ Zum Glück haben wir nur einen Ort weiter geheiratet und nicht in Berlin oder New York. Das wäre sportlich geworden. Aber so sitze ich schon ca. 15 Minuten vor der nächsten netten Dame. Diesmal im Standesamt. „Sie müssen jetzt bitte nur noch hier unterschreiben. Zum letzten Mal mit dem alten Namen.“… Sie lächelt mich aufmunternd an. Scheint zu spüren, welche Gefühle da gerade in mir hochkommen. Welche Erleichterung sich da gerade breit macht. Gänsehaut…

Die Namensänderungsbescheinigung in der Tasche, 30 Euro ärmer und wieder auf dem Weg zum ursprünglichen Vorhaben. Es ist nur ein kleines Stück Plastik. Aber was das gerade mit mir macht, hätte ich nicht für möglich gehalten. Tränen laufen. Erleichterung macht sich breit. Erinnerungen kommen hoch. Da ist Trauer, ein bisschen Demut, aber vor allem das Gefühl, endlich wieder ich zu sein. Es fühlt sich an, wie noch einmal von vorne anzufangen. Wie eine Neugeburt.

Ich! Vielleicht sogar das erste Mal in meinem Leben. Noch nie zuvor war mir so klar, wer ich eigentlich bin. Wo ich hingehöre, wo meine Wurzeln sind. Ein Name ist mehr als eine Identität. Zumindest für mich. Oder es ist mein Ausdruck von Identität. Das bin ich. Im Ursprung meines Seins. Das gibt mir Halt und Sicherheit. Zu wissen, wer ich bin, ganz tief in mir. 

So lange habe ich auf diesen Moment gewartet. Es hat unglaublich an mir gezerrt. Vermutlich ging es nicht mal um den Namen, aber um die Frage „Wer bin ich?“ – Wer will ich sein in dieser Welt? Wo gehöre ich hin? Welchen Beitrag will ich leisten? Jahrelang habe ich in dieser Rolle gelebt. Geglaubt, dass ich das, was ich da tue, auch wirklich will. Habe es mir eingeredet, um zu gefallen. Um niemanden zu enttäuschen. Ich hatte mich entschieden, ich hatte es sogar unterschrieben. Ich habe sogar meinen Namen dafür gegeben, dass ich das, was ich da lebe, wirklich will. Immer weiter, immer tiefer. Fest in dem Glauben, dass es richtig ist. Dass ich es schaffe. Und vor allem… „Weil man es eben so macht.“

Und das ist der Punkt… Man macht es eben so. Das war auch meine Vorstellung. Und sie hat sich ja zunächst auch erfüllt. Alles, was ich entschieden habe, wollte ich. Genau so! Diese Hochzeit, dieses Leben, diese Sicherheit. Geborgenheit. Zusammengehörigkeit. Den gleichen Namen. Ein unschlagbares Team. Und so habe ich es versucht. Viele Jahre. Habe irgendwann gespürt, dass ich mich entferne. Von mir selbst. Dass das, was ich da lebe, irgendwie doch nicht meins ist. Dass ich das nicht bin. Was sich erst wie Zusammengehören anfühlte, war irgendwann ein „Aber ich muss das jetzt aushalten. Ich habe dafür unterschrieben. Ich habe mich doch entschieden. Und ich möchte auch niemanden enttäuschen.“ 

Ja, es ist nur ein Name. Auf einem kleinen Stück Plastik. Es hat nichts mit dem zu tun, was einen Menschen im Kern ausmacht. Und dennoch ist es für mich die stille Erlaubnis nun endlich ich sein zu dürfen. So fühlt es sich an. Als sei ich ein neuer Mensch. Als würde ich zum ersten Mal in meinem Leben wirklich selber entscheiden, wer ich sein möchte. Ohne Ratschläge von außen. Ohne Meinung von anderen. Ohne den Gedanken „Das macht man aber so.“ Ohne alles… Einfach nackt… Einfach ich. Im tiefsten Kern meines Seins. Ich bin! Und das ist Freiheit. 

Und mit dieser Erkenntnis erlaube ich mir nicht nur „ich“ zu sein. Sondern auch zu hinterfragen, wer ich sein möchte. Zum ersten Mal in meinem Leben nehme ich mich wahr als Mensch, als Individuum, als Wunder, als Geschenk. Durch diese Reise zu mir selbst habe ich gelernt, mich anzunehmen, mich zu lieben. So, wie ich bin. Jetzt, gerade in diesem Moment. Ich muss nicht anders sein, um besser zu sein. Ich muss nicht erst irgendetwas erreichen, um etwas verdient zu haben. Ich durfte lernen, dass so, wie ich jetzt gerade bin, alles perfekt ist.

Ich habe gelernt meinen Körper anzunehmen. Ihn zu nähren, zu pflegen und zu akzeptieren. Habe aufgehört ihn zu verurteilen. Ich habe gelernt meine Energie wahrzunehmen. Meine Werte zu erkennen und diese zu leben. Ich habe aufgehört mich anzupassen. Ich habe gelernt, dass meine Fähigkeiten und Talente einzigartig sind. Ich habe aufgehört mich nicht gut genug zu fühlen.

Und ja, dazu gehört auch die liebevolle Konsequenz zu gehen, wenn diese Werte nicht mehr passen. Je mehr ich zu mir selbst finde, umso mehr verändert sich meine energetische Frequenz. Menschen verlassen mich, weil sie auf einer anderen Frequenz schwingen. Aber dafür kommen auch neue, die mit mir in Resonanz gehen. Das ist der Fluss des Lebens. Und seitdem ich mir das erlaube und annehme, ist es so viel leichter. Ich habe keine Angst mehr, Menschen zu verlieren. Weil ich weiß, dass es mich viel Energie kostet, wenn ich mich ihnen ständig anpassen muss, um ihnen gerecht zu werden. Ich weiß, dass mir ständig neue Menschen begegnen werden, die mich in meine beste Energie bringen. 

Wenn mir nahestehende Menschen zu mir sagen „Du bist so entspannt und so bei dir.“, dann sind das Komplimente, die mich tief treffen, manchmal zu Tränen rühren und mir vor allem zeigen: Es hat sich gelohnt. Ich selber zu sein, ist das schönste Geschenk, das ich mir selber machen kann. 

Ich bin ein Geschenk. Und jetzt auch mit neuem Ausweis! 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner