Es ist erstaunlich, was ein Mensch aushalten kann. Seit zehn Wochen ertrage ich nun das Drama, das sich zwischen uns abspielt und ich bin stark wie eh und je. Ich gehe arbeiten, ich manage mein neues Leben mit Wohnung und Haushalt. Ich versuche alles positiv zu sehen und nach vorne zu schauen. Ich gehe viel spazieren und nutze die ersten Sonnenstrahlen des Jahres als „good vibes“. Wird schon wieder. Meine Freunde bewundern meine Stärke und wie ich alles wegstecke. Doch uns allen war klar, dass es so einfach nicht werden wird. Und wir alle sollten recht behalten.
An diesem Wochenende Mitte März kommt der Tag der Tage. Schier unglaubliche Wahrheiten tun sich in der Beziehungskrise auf. Auf der anderen Seite verabschieden sich Menschen aus meinem Leben, die mich bisher getragen und begleitet haben. Mein Halt und meine Hilfe. Meine Perspektive in diesem Chaos. Es reißt mir den fragilen Boden unter den Füßen weg. Reicht denn das eine Drama noch nicht? Müssen weitere dazu kommen? Es mussten …
Ich weine Nächte und Tage lang und ich bin verwundert darüber, wie viel Schmerz und Tränen ein Mensch aushalten kann. Ich gehe zum Arzt und lasse mich krankschreiben. Das habe ich noch nie getan! Die nette Ärztin hört mir minutenlang zu, als ich ohne Pause erzähle, was in meinem Leben gerade alles los ist. Ich erzähle zum ersten Mal die ganze Geschichte. Und wieder kommen mir die Tränen. Sie kann nicht viel für mich tun, außer mir Zeit zu geben auszusteigen aus dem Drama und mir eine kurze Pause zu verschaffen, um einmal durchzuatmen.
Und das ist nun der erlösende Tiefpunkt und die Wendung in meiner Geschichte. Ich packe meine Sachen und ziehe für drei Wochen bei meinen Eltern ein. Das Wetter in diesem Frühjahr ist schön und es ist auch schon recht warm. Meine Mama ist ganz optimistisch, mich in den kommenden drei Wochen wieder aufzupäppeln. Ein bisschen Shoppen (funktioniert bei mir immer), ein bisschen Wellness, gutes Essen und viel Schlaf. Doch schnell stellen wir fest, dass nichts von allem wirklich zielführend ist.
Unsere erste Shoppingtour endet abrupt, als ich kreidebleich auf dem Blumenkübel in der Fußgängerzone sitze und einfach nicht mehr kann. Somit sind auch alle anderen Programmpunkte gestrichen und ich verbringe die kommenden drei Wochen im Garten. Liegend in der Sonne … Ich schlafe, esse und liege und gehe spazieren. Zwischendurch weine ich grundlos. So drei bis fünf Mal am Tag. Auf unseren allabendlichen Spaziergängen reden wir viel und offen und über alles. Zum ersten Mal dürfen alle Geschichten und Gefühle raus. Zum ersten Mal gestehe ich mir ein, was ich im Grunde schon lange fühle. Und das ist für mich das Wichtigste in dieser Zeit. Eingestehen und ehrlich aussprechen, was ich fühle.
Meine Familie ist in dieser Zeit mein wichtigster Anker, mein Zufluchtsort, mein sicherer Hafen und das Beste, was mir überhaupt passieren kann (und mir laufen schon wieder die Tränen, wenn ich das schreibe). Meine kleine Nichte gibt mir in dieser Zeit Unbeschwertheit, Ablenkung und ganz viel Liebe. Für Kinder ist das Leben einfach. Spielen, schaukeln, klettern. Einfach nicht denken und nochmal Kind sein. Das tut so gut!
Ich merke, wie ich in den kommenden Wochen langsam wieder zu Kräften komme. Der Blick lichtet sich und ich kann nun endlich anfangen zu verstehen, was da eigentlich passiert ist. Nach und nach kann ich auch erklären, warum ich so gehandelt habe. Und vor allem sehe ich mich wieder imstande zu arbeiten. Schließlich habe ich gekündigt und die verbleibenden Wochen laufen jetzt an.