20. Oktober 2023

Zauberinsel

Diese Reise verändert alles. Das spüre ich schon lange bevor es losgeht. Als ich mein Yoga Retreat auf Juist im Juli gebucht habe, war mir noch nicht klar, wie sehr ich diese Reise zu diesem Zeitpunkt brauchen werde. Mein Verstand wusste es noch nicht. Meine Seele vermutlich schon. Denn allein die Tatsache, dass ich das letzte freie Zimmer und einen zusätzlichen Platz im Kurs bekommen habe, spricht schon für sich.

Als die Reise damals noch so weit weg war, verschwendete ich wenige Gedanken daran. Doch als der Tag der Kündigung kam, ändert sich auf einmal alles. Die Tatsache allein gar nicht überraschend. Ich hatte es mir manifestiert. Meine Gedanken kreisten schon so lange. Was will ich wirklich? Wie will ich es machen? Die Entscheidung war eigentlich schon klar. Das Stück Papier hat mir diese einfach abgenommen. Etwas früher als geplant. Aber zum exakt richtigen Zeitpunkt.

Ich kann das nicht mehr ignorieren. Wenn ich zurückschaue auf die letzten zwei Jahre, dann ist immer alles exakt so passiert, wie ich es mir lange vorher tief in meinen Gedanken ausgemalt habe. Achte auf deine Gedanken, sie könnten wahr werden! Natürlich kommt kurz ein Gefühl von Panik in mir auf. Was soll ich denn jetzt machen? Es muss doch weiter gehen. Ich habe keine Kraft für eine weitere Zeit der Suche.

Doch kurze Zeit später, dem Universum sei Dank, bin ich ruhig. Die Umstände ermöglichen mir gerade nicht in Panik zu verfallen. Es kann gerade nichts passieren. Es sortiert sich. Und in diesem tiefen Vertrauen mache ich mich auf die Reise.

Ich nehme die letzte Fähre des Tages. Es stürmt ordentlich. Das Schiff schaukelt. Ich bekomme einen windgeschützten Platz an Deck. Ziehe die Kapuze tief ins Gesicht und strecke die Nase in die Sonne, die zwischen tief schwarzen Wolken immer wieder hervorschaut. Auf der Insel angekommen, komme ich an einen Ort voller Geborgenheit. Kuscheliges Nest für eine Woche nur mit mir. Noch kreisen die Gedanken. Organisieren, richten, sich ein. Erkunden die Umgebung.

Unsere Gruppe, bestehend aus acht Frauen, trifft sich am Nachmittag. Wir lernen uns kennen, kommen an und stellen uns vor. Ich erzähle nur kurz meine Geschichte und spüre, wie sehr sie mich selber berührt. Wenn ich erzähle, was passiert ist, wird es kurz still. Mutig! Ja, das war es. Und mir wird das immer erst dann wieder bewusst, wenn ich es selber ausspreche. Am Abend gehen wir unserer Wege. Ich falle müde ins Bett. Der Sturm pfeift über die Insel. Es rumpelt und rauscht ums Haus. Das Meer tost, es regnet immer wieder.

Am nächsten Morgen ist das Wetter unverändert. Sturm, Regen, Sonne. So schnell im Wechsel, dass man die Regenpausen zunächst gar nicht richtig mitbekommt. Ich ziehe die Kapuze ins Gesicht und laufe am Strand. Immer geradeaus, weiter und weiter. Das Meer rauscht, der Geist dreht sich, Tränen laufen. Gefühle überschlagen sich. Wie im Außen, so im Innen. Besser könnte das Wetter an diesem Tag den Zustand meiner Seele nicht wider geben.

Plötzlich stehe ich mitten in den Dünen. Das Wasser bedeckt fast den ganzen Strand. Ich bahne mir einen eigenen Weg. Hier war ich noch nie. Die Gegend menschenleer. Ich stehe da, ganz allein und schaue aufs Meer. Der Sturm pfeift, die Sonne wärmt mir den Rücken. Hier gibt es keine Grenzen. Und in mir überschlagen sich wieder die Gefühle. Die Tränen laufen nicht aus Trauer oder Wut. Sie laufen aus tiefer Dankbarkeit für diesen Weg. Ich spüre zum ersten Mal, wie sich das Gefühl der Dankbarkeit in mir anfühlt.

Es löst sich. Stück für Stück. Wut, Trauer, Vorwürfe, Zweifel. In diesem Moment lösen sie sich langsam auf und wandeln sich in Dankbarkeit, tiefes Vertrauen, Zuversicht und pures Glück. Am Abend trifft sich unsere Gruppe wieder. Wir meditieren und singen. Worte und Stimmen berühren mich ganz tief in mir.

Und dann gehe ich noch einmal zum Strand. Es stürmt, der Sand fliegt, der Himmel ist tief schwarz. Nur schemenhaft kann man die Sonne hinter den Wolken erkennen, die gerade untergeht. Der Strand ist menschenleer. Nur eine Gestalt kommt aus der Ferne auf mich zu. Unsere Yogalehrerin, diese Zauberfrau, die mich vom ersten Moment an fasziniert hat. Eingepackt in Mütze und Kapuze sprechen wir nur kurz. Nicht viel, weil das Meer alles übertönt. Sie sagt nur eins zu mir „Dein Strahlen von innen heraus bewundere ich, bei allem, was bei dir gerade los ist.“ Tränen steigen auf und ganz viel Stolz. Mein inneres Strahlen, das ich nie verloren habe, macht mich stolz.

Unsere Wege trennen sich und der Himmel zieht sich noch ein Stück weiter zu. Ich gehe trotzdem noch ein Stück am Wasser entlang und lasse mich von Sturm und Sand umtanzen. Eine dunkle Wolke droht mit Regen. Ich drehe um und mache mich auf den Rückweg. Nach einigen Metern schaue ich noch einmal zurück. Und da ist er, der magische Moment an diesem Abend. Zwischen diesen vielen dunklen Wolken klafft ein großes goldenes Loch am Himmel. Die Sonne strahlt ein letztes Mal an diesem Tag auf Strand. Ich bleibe stehen. Ich bin allein. Nur dieses goldene Loch, die dunklen Wolken, der endlose Strand und ich. Das Meer rauscht noch ein bisschen lauter. Und es wäre, als würde das Universum sagen wollen „Du wartest auf ein Zeichen? Hier ist es!“… Alles ist gut, nichts kann passieren. Jetzt ist der Zeitpunkt, um alles loszulassen. Die Kontrolle abzugeben und endlich der Magie in meinem Leben die Führung zu geben.

Als ich nach diesem Tag im Bett liege, habe ich das Gefühl, alles in mir heilt. Alles löst sich. Alle Anspannung, alle Sorgen, alle Gedanken fallen von mir ab. Ich schlafe tief und fest. Und am nächsten Morgen scheint die Sonne. Es ist als wäre alle Dunkelheit verzogen und die Sonne scheint friedlich auf Mutter Erde. Weiße Wolken ziehen wie Watte am Himmel. Der Sturm hat sich gelegt. Es ist fast still, nur das Meer rauscht leise vor sich hin.

Und schon an diesem Tag passiert Magie. Ein Gespräch voller Vertrauen und Zuversicht. Der Weg zeichnet sich. Ich lasse es fließen. Die Seele kennt den Weg. Ich genieße die Dünen und das Meer, die Sonne und den blauen Himmel. Energie kehrt zurück. Die Tage ziehen hin. In mir kehrt Ruhe und Frieden ein. Ich spüre dieses tiefe Vertrauen, ganz präsent.

Die Gruppe rückt immer weiter zusammen. Wir sitzen stundenlang beim Frühstück und erzählen. So viele verschiedene Menschen, so viele verschiedene Geschichten und so gleiche Gedanken. Es fällt uns schwer uns zu trennen, als Sturm und Wasserstand unsere Rückreisen mächtig durcheinander wirbeln. Ein Teil reist früher ab, ein Teil später. So schön, wie schnell fremde Menschen zu Freunden werden. Am letzten Abend genießen wir ein köstliches Abendessen mit den verbleibenden Gästen unserer Gruppe.

Zeit, Abschied zu nehmen. Ungewissheit darüber wann und wie ich wieder nach Hause komme, aber die Grundentspannung der Insel bleibt und so ist die Zuversicht groß, dass es schon irgendwie klappen wird. Wird es auch! Mit dem Inselflieger rüber und dem Zug Richtung Heimat. Die Landschaft zieht an mir vorbei. Es regnet. Es ist kalt und stürmisch. Doch in mir scheint die Sonne. Ich bin entspannt. „Dein Blick hat sich verändert. Du bist viel mehr bei dir.“ – Das bin ich, das spüre ich. Und ich nehme dieses Gefühl mit nach Hause. In die Zukunft und alles was da kommt. „In meiner Zukunft scheint die Sonne!“ stand ein Spruch in meinem Zimmer. Darauf vertraue ich!

Und dann ist da noch meine Seele. Ich bin auf diese Insel gefahren, um nichts zu tun. Die Verbindung zu mir selber wieder herzustellen. Hinhören. Zuhören. Es ist wieder eine Feldlesung, die Antwort bringt. Diesmal eine Botschaft meiner Seele „Ich bin glücklich und befreit. Es geht mir gut.“ Wenn es meiner Seele gut geht, dann geht es auch mir gut!

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