Eigentlich mag ich mich ja total! Aber eigentlich auch überhaupt nicht. Und so mäkel ich seit gut zwanzig Jahren an mir herum. Nehme ab, nehme wieder zu. Mal wegen Männern, mal aus anderen Gründen. Mal fühle ich mich ganz furchtbar, dann gehts eigentlich wieder.
Zwanzig lange Jahre kämpfe ich mit mir und gegen meinen Körper. Mir ist das gar nicht bewusst gewesen. Es ist ein Ergebnis der Kinesiotherapie bei Kirsten in den Bergen. Mein System schlug an und sie fragte mich, was in meinem Leben passiert sei, als ich 14 war. Ich musste gar nicht lange überlegen. Die Geschichte kam sofort: Mit vierzehn Jahren hatte ich einen Fernseher in mein Kinderzimmer bekommen. Wir hatten in der Familie gar keinen Fernseher und ich quengelte so lange, bis mir meine Eltern endlich einen gekauft haben. Von da an saß ich dort und schaute Serien und aß Chips und Pizza. Und es kam, wie es kommen musste. Ich nahm zu und mochte mich irgendwann gar nicht mehr leiden.
Die Entdeckung dieser Geschichte fühlte sich damals so befreiend an. Hatte ich endlich ein Packende, um meinem eigenen Drama ein Ende zu setzen? Mir wurde an diesem Abend nach der Therapie alles so klar: Es ist die fehlende Selbstliebe, die mich davon abhält, wahre Nähe in meiner Beziehung zu leben. Ich sehne mich so sehr danach angenommen zu werden wie ich bin, aber ich lasse diese Nähe gar nicht zu, weil ich mich selber ablehne. Krasser Scheiß…
Jedenfalls empfahl mir Kirsten damals eine gründliche Entgiftung meines Körpers. Denn wenn eine Baustelle erstmal enttarnt ist, dann folgen ja auch meist weitere. Das ist ein bisschen wie die Renovierung eines Altbaus. Mit 35 ok… Aber ein bisschen wie Altbau fühlte ich mich in dem Moment schon. Sie gab mir ein Buch. Und das war ein echter Gamechanger für mich.
Alexandra Stross fesselte mich sofort mit ihren natürlichen Entgiftungsmethoden. Noch am selben Abend machte ich ein Basenfußbad, welches mir Kirsten ebenfalls ermöglicht hatte. Ich las das Buch direkt durch und war ganz wild entschlossen nun alle Chemie aus meinem Leben zu verbannen und auf natürliche Entgiftung zu setzen. Ich hatte schon so viel ausprobiert in meinem Leben und habe alles enttäuscht und ernüchternd wieder aufgegeben. Ich konnte es kaum erwarten, nach Hause zu kommen.
Gleich nach meinem Geburtstag will ich mit der Entgiftung und einer gründlichen Darmreinigung anfangen. Drei Wochen sind angesetzt. Danach sind bestimmt alle Problem gelöst und ich ein schöner, schlanker Mensch der sich dann aber bitte endlich mal lieben kann. Darauf warte ich schließlich schon so lange. Ich fange euphorisch an. Halte mich penibel an alle Regeln. Schlucke alle grünen und grauen Pulver, integriere alle Routinen, mache Basenbäder, esse nur noch Gemüse und gehe auch viel spazieren. Es vergeht eine Woche, es vergeht eine weitere Woche und irgendwie passiert nichts. Gar nichts! Was für eine bekloppte Methode. Wieder hilft es mir nichts. Nichts hilft mir. Ich bin traurig und enttäuscht. Mal wieder.
Und dann wache ich eines Morgens auf und habe diese Gedanken. Sie schießen mir wie Blitze durch den Kopf. Mein ganzes Leben habe ich mir Verbote ausgesprochen. Ich aß kein Eis, keine Fertigpizza, erlaubte mir keinen übermäßigen Alkohol und schon gar keine Süßigkeiten. Mein ganzes Leben hatte ich mir alles verboten, was Spaß machte. Nur wenn mich jemand zum Essen einlud, habe ich gegessen. Dann hat mir mein Gegenüber ja quasi die Erlaubnis gegeben, dies zu tun. Und dann zählen die Kalorien ja auch gar nicht. Was für ein krasser mindfuck. Ich muss erst laut lachen und dann bitterlich weinen. Oh Susanne, was bist du bescheuert! Was tust du dir da eigentlich an?!
Ahhhh… es passiert was auf der emotional/mentalen Ebene! Das habe ich gelesen. Mit den Schlacken lösen sich alte Energien und Glaubenssätze. Ok, habe ich verstanden, aber es wäre trotzdem schön, wenn die ganze Aktion sich nun auch auf der Waage niederschlagen würde. Ich habe noch ein Ass im Ärmel: Leberreinigung! Das ist Entgiftung für Fortgeschrittene. Aber um mein Ziel zu erreichen, ist mir eigentlich nichts zu fies. Ich halte viel aus! Und wenn es um meine Schönheit geht und darum mein Ziel der sich liebenden, schlanken Susanne zu erreichen erst recht.
Ich besorge mir alle Zutaten und starte die Vorbereitung. Ich faste einen ganzen Tag und warte erwartungsvoll auf den Abend. Dann geht es los. Drei Portionen Bittersalz gilt es zu trinken, danach ein scheußliches Grapefruit-Öl Gemisch und am nächsten Tag sollte alles vorbei sein. Ok, easy… Wird schon, denke ich.
Während der Entgiftung lese ich weitere Bücher von Alexandra Stross. „Gesundheit ist Kopfsache“ ist eine weitere große Erkenntnis für mich. Die Erkenntnis, dass unsere Gesundheit maßgeblich von unseren Gedanken abhängt, bringt mir völlig neue Sichtweisen auf mich selbst. Aber zurück zum Bittersalz. Die erste Portion ist ok. Allerdings ist mir echt schlecht. Ich warte zwei Stunden, bis es weiter geht. Ich will die Aktion gerne schnell hinter mich bringen. Doch sobald ich das Glas ansetze und die ersten Schlucke nehme, kommt alles prompt retour. Ich breche und breche und breche und wusste gar nicht, dass man so viel brechen kann, obwohl der Magen seit 24 Stunden keine feste Nahrung bekommen hatte. Es geht mir hundeelend.
Hmm… was ist jetzt los?! Will mir mein Körper irgendwas mitteilen? Ohja. Er will! Es ist ein ganz deutliches Stopp! Ein Stopp für alle weiteren Maßnahmen. Ein Stopp für all den Wahnsinn und das Drama, dass ich mir seit 20 Jahren selbst vorspiele. Ich habe plötzlich ein schlechtes Gewissen. Es tut mir plötzlich alles so leid, was ich mir selber angetan und zugemutet habe. Ich lasse alle weiteren Entgiftungsmaßnahmen auslaufen. Ich brauche ein paar Tage, bis es mir wieder wirklich gut geht. Ich fahre erstmal zu meinen Eltern. Das ist mittlerweile meine erste Wahl, wenn wieder alles über mir zusammenbricht. Bei Mama gibt es immer gutes Essen. Und was Mama kocht, wird auch gegessen!
Parallel zu meinem Drama und meiner Erkenntnis mit dem Kopf und der Gesundheit buche ich eine weitere Kinesiotherapie. Wenn ich meinen Kopf nur dazu bringe mich gut zu finden, dann wird das ja vielleicht auch irgendwann klappen.
Man kann Kinesiotherapie als spirituellen Hokuspokus abtun, aber für mich ist es ein sehr wertvolles Werkzeug im Umgang mit mir selbst geworden. Erstaunlicherweise kommen wir auch in dieser Sitzung wieder auf die 14-jährige Susanne, die vorm Fernseher sitzt, Chips und Pizza isst. Und ich lerne mir in dieser Sitzung zu verzeihen. Mir selber, meinen Eltern, die den Fernseher anschafften, den ich unbedingt haben wollte. Niemand ist schuld an dieser Situation. Es ist nur die Geschichte, die ich mir dazu erzähle. Jede süße Sünde und alles vermeidlich Ungesunde verbinde ich mit dieser Geschichte. Seit 20 langen Jahren. Und in diesem Moment kann ich den Knoten im Kopf endlich lösen und mich von nun an lieben lernen, wie ich bin. Denn eins steht fest: Auch ohne den Fernseher und ohne Chips und ohne Pizza wäre ich die Susanne, die ich heute bin! Und die ist ziemlich gut so wie sie ist!
Ein ganz großer Schritt in tiefe Selbstliebe!