1. November 2022

Der November und die ersten Male

Zehn Monate sind nun vergangen seit dem ersten großen Knall. Müsste ich mich auf einen Zeitpunkt festlegen, dann ist es dieser Tag Mitte November. Ein komisches Gefühl in mir. Erste Male sind immer besonders. Mal besonders schön, mal besonders schrecklich. Mal besonders anders. Diese ersten Male sind für mich schön und schrecklich und anders zugleich.

Für mich sind diese ersten Male die mutigsten Entscheidungen, die ich je getroffen habe in meinem Leben: Einfach gehen. Von heute auf morgen meine Sachen zu packen und einfach zu gehen ist sicherlich nicht der charmanteste Weg eine Beziehung zu verlassen. Und das tut mir leid! Jeden Tag tut mir das so leid. Aber zu gehen und endlich für mich einzustehen, dass ich dieses Leben so nicht leben kann, ist für mich der mutigste Schritt in 35 Jahren.

Diese Begegnung Mitte November hat mich gepackt und so tief getroffen. Auf allen Ebenen meines Seins öffneten sich auf einmal Tür und Tor. Du zeigtest mir den Ausgang aus meinem alten Leben, öffnetest mir die Tür und erklärtest mir, dass ich hindurchgehen darf. Ich bin gegangen. Und von da an bin ich gelaufen, einfach immer geradeaus. Ohne Ziel und ohne Plan. Über Stock und Stein. Immer geradeaus.

Hügel, Berge, tiefe Täler. Ich habe alles gesehen auf meinem Weg. Es war anstrengend und kraftraubend. Manchmal dachte ich, ich kann nicht mehr. Ich komme niemals irgendwo an. Aber ich bin nicht stehen geblieben. Ich habe mich nicht mal umgesehen. Ich bin einfach nur gelaufen. Immer geradeaus. Manche Stücke bin ich gefahren, manche geflogen. Aber immer geradeaus.

Und heute stehe ich an einer Kreuzung, deren Wege alle ins Glück führen. Ich bin so stolz und so erleichtert. Der lange Weg hat sich gelohnt. Ich bin ein anderer Mensch. Ich bin gewachsen mit jedem Meter, den ich gegangen bin. Jeden Tag ein Stückchen mehr. Es gab Blitz und Donner, aber auch jede Menge Sonnenschein. Mut und Optimismus sind meine täglichen Antreiber.

Auf meinem Weg sind Menschen, die mich begleiten. Manche gehen nur ein Stück mit, andere weichen nicht von meiner Seite. Viele haben mich verlassen. Einige fangen mich auf, andere tragen mich. Und alle sind so wertvoll. Es kommt niemals auf die Summe der Begleiter an, sondern immer nur auf deren Wert.

Wenn ich heute an den Anfang zurückschaue, dann hab ich viel erreicht. Ich bin gereist, ich habe neue Orte entdeckt. Ich habe die Schönheit der Welt gesehen. Ich habe schätzen gelernt, was ein Zuhause ist und wo mein sicherer Hafen ist. Ich habe gelernt, dass ich meinen Anker werfen kann, wo immer ich will. Wird die See zu stürmisch, fahre ich einfach heim und ruhe mich aus.

Die Reise ist lang und sie ist niemals zu Ende. Ich habe noch einige Hürden vor mir. Aber ich habe mein Selbstvertrauen zurück. Ich weiß, dass sich alles fügt. Ich weiß, wenn ich falsch abbiege, dann sind das nur schöne Umwege und niemals Sackgassen.

Ein ganzes Jahr liegt nun schon hinter mir. Ein ganzes Jahr lachen, weinen und tanzen. Mir ist ganz mulmig. Es liegt Wehmut in den Gedanken an diesen einen Tag im November. Aber ich fühle auch so große Dankbarkeit für den mutigen Anstoß, diesen Weg zu gehen.

Ich bin sicher, dass es noch viele Tränen gibt. Erste Male sind manchmal auch traurig. Aber das ist ok, denn die Erinnerung an all die schöne Zeit, die wir auch hatten, die bleibt. Und mein größter Wunsch für das kommende Jahr ist eigentlich nur, dass du auch wieder glücklich wirst. Ich habe noch so große Wut in mir, so viel Unverständnis dafür, wie man einfach nur da stehen kann.

Nicht einen Schritt zurückzugehen, um die Dinge von einer anderen Seite zu betrachten. Nicht einen Schritt weiterzugehen, um sich helfen zu lassen. Nicht einen Schritt zur Seite zu gehen, um den Weg freizumachen. Einfach bewegen. Irgendwo hin … Aber stehen bleiben ist keine Option im Leben. Da ist Wut, Trauer und Unverständnis. Da ist aber auch noch Liebe für den Menschen, für den ich mich einst entschieden habe und mit dem ich alles im Leben erreichen wollte … Doch wenn einer steht und der andere geht, dann kommt man nicht zusammen an.

Wenn ich an die Zeit zurückdenke, dann denke ich an Andreas Bourani, der singt:

Du willst gehen, ich lieber springen
Wenn du redest, will ich singen
Du schlägst Wurzeln, ich muss fliegen
Wir haben die Stille um uns totgeschwiegen
Wo ist die Liebe geblieben

Ich fühl′ mich jung und du dich alt
So fallen wir um, uns fehlt der Halt
Wir müssen uns bewegen
Ich bin dafür du dagegen
Wir gehen auf anderen Wegen

Mein Herz schlägt schneller als deins
Sie schlagen nicht mehr wie eins
Wir leuchten heller allein
Vielleicht muss es so sein

Der November wird vorbeigehen. Und der Dezember auch. Aus ersten Malen werden zweite Male und dritte Male und ich werde wieder glücklich sein. Und wenn ich dann zurückblicke, dann ist die Wut weg und auch die Trauer. Dann ist da Dankbarkeit und vielleicht auch Freundschaft.

Wünschen darf man sich alles …

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