Ich wollte diesen Artikel schon vor vielen Wochen schreiben. Doch als die Worte sich gerade den Weg auf die Tastatur bahnen wollten passierte es. Ich bin in dieses Loch gefallen. Tief, dunkel und ganz schön unerwartet.
In der Zeit auf Juist gab es für mich nur eine Aufgabe: „Einfach SEIN“. Reinfallen in den Augenblick. Nichts tun, nichts denken, nichts wollen. Einfach nur sein. Nach einem holprigen Start, gelang das ab dem zweiten Tag auch wirklich gut. Ich hörte die Wellen rauschen, ich roch die salzige Luft, ich spürte den Wind in meinen Haaren. Treiben lassen, gehen lassen. Alles ist gut, wie es gerade ist. I
Ich hatte so große Erwartungen an die Zeit auf der Insel. War voller Spannung, wann denn die gewünschte Transformation vom Himmel auf mich herabkommen würde. Hier auf der Zauberinsel, die schon so viel offenbart hat. Aber nichts passierte. Einfach nichts. Und genau das war auch gut so.
Ich wurde immer ruhiger. Immer mehr Frieden kehrte in mir ein. Ich war achtsam, bei mir, mit mir. Alles war gut. Und ich kam genau mit diesem Gefühl nach Hause. Neue Ideen, Inspiration, Gedanken. Alles durfte nun erstmal ein sacken.
Und schon wenige Tage später tat sich dieses Loch auf. Ich spürte nichts mehr. Nahm die Welt um mich herum nur noch schemenhaft wahr. Nebel, überall Nebel. Angst und Unsicherheit.
Ich habe mich verloren. Diese Verbundenheit zu mir selbst. Dieses Gespür für den Moment. Ich sehe die bunten Blätter an den Bäumen und ich spüre die Sonne auf der Nasenspitze, aber ich kann ihn nicht fühlen, diesen Moment. Diese Schönheit in diesem Moment. Dieses Geschenk der Natur.
Die Gedanken kreisen unwillkürlich um andere Dinge. So viele Ideen in meinem Kopf. So viel möchte raus in diese Welt. Aber ich spüre nichs. Nicht die Energie, um anzufangen.
Ich kann auch nicht spüren, was es gerade braucht. Ganz leise ist da eine Stimme, die sagt „Lass los“. Alle Bewertungen, alle Gedanken, alle Ängste. Möchte alles von mir abstreifen, aber es klebt an mir, wie flüssiger Honig.
Habe das Bedürfnis nach Rückzug… Vielleicht doch die Einsamkeit in mir. Offline, alleine, Stille. Detox, reinigen, gehen lassen. Alles, was da nicht mehr hingehört.
Und so entschied ich mich für Rückzug. Eine Woche Detox, eine Woche Fasten. Ich neige zu Notbremse, Härte, Konsequenz. Ganz oder gar nicht. Nicht nur ein bisschen. Und adann spürte ich nicht mal was die bewusste Ernährung und die Reinigung mit mir machten. Ich spürte gar nichts. Und auch deshalb war ich so wild entschlossen noch einen drauf zu setzen.
Eine leise Stimme in mir meldete sich „Warum? Wofür?“ … Ich überhörte sie. Fastentag eins war ok. Wie erste Fastentage halt so sind. Nicht so wirklich dolle, aber aushaltbar. Ich hab schon so viel ausgehalten. Das wird doch hier wohl keine große Herausforderung werden. Mit dem großen Ziel vor Augen begann Fastentag zwei. Kopfschmerzen, Übelkeit. Mein Kreislauf fuhr Achterbahn. Ich legte mich nochmal hin. Das geht gleich vorbei. Das ist normal. Die leise Stimmt meldete sich wieder „Warum? Wofür?“ … Ich überhörte sie. Wird schon werden. War letztes Mal auch so.
Als der Wecker für mein abgekochtes Wasser klingelte stand ich auf. Mir wurde schwarz vor Augen. Alles dreht sich. Ich schaffte es bis in die Küche, als mein ganzer Körper anfing zu zittern. Für einen Moment fühlte ich mich wie in einer Parallelwelt. Weit weg. Bilder tauchten auf. Ich kann mich nicht erinnern. Das Klingeln wird immer lauter. Ich drücke auf den Wecker, stelle den Herd ab. Lege mich auf den Boden, mache die Tür auf. Frische Luft. Die Stimme in mir ist jetzt klar und deutlich zu hören. Ermahnend, fordernd, durchdringend. „Warum? Wofür?“ … Ja, warum eigentlich und wofür?
Ich breche ab. Mache mir etwas zu essen und trinke erstmal einen heißen Tee. Ich ruhe mich aus. Noch etwas wackelig auf den Beinen, merke ich wie das Leben zurückkommt. Mein Körper entspannt sich. Kopfschmerzen und Übelkeit sind weg. Der Kreislauf hat seine normale Arbeit wieder aufgenommen.
Und schon kurze Zeit später liegen die Erkenntnisse so klar vor mir. Zurück zu mir, wie ein Bumerang. Ich spüre eine unglaubliche Milde in mir. Ein bisschen schlechtes Gewissen und ganz großes Mitgefühl. Gleichzeit fühlt es sich so an, als hätte ich mich gerade verliebt. Hals über Kopf. In mich selbst. Annahme von allem was ist. Sein lassen von allem war.
Frieden, nur Frieden!
Ich bin zurück. Zurück bei mir. Die Seele kennt den Weg, der Körper auch. Nur der Kopf, der denkt so gerne er wäre schlauer als alle zusammen.
Das hier ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt. Das hier ist jetzt nicht nötig. Mit einem lauten Knall katapultiert mich das Universum wieder ins Hier und Jetzt. Zu mir zurück. Bis in die tiefsten Tiefen meines Körpers.
Kann wieder spüren, was es braucht. Kann wieder hören, was gerade wichtig ist. Spüre die klare Luft, fühle die Blätter unter den Füßen. Höre, wie meine Seele atmet. „Na endlich, jetzt hat sie es.“
Ja, es dauert so lange.
Ja, es braucht diese Zeit.
Ja, es braucht noch so viel mehr Zeit.
Es gibt nichts zu tun, als einfach zu sein. Ich freue mich auf Tee und Lebkuchen. Auf Lichterglanz und Weihnachtsmusik. Auf genussvolle Einsamkeit in dunklen Nächten mit Kerzenschein. Auf die Magie dieser Zeit. Und dann darf ganz leise werden, was werden möchte…Ich habe mich zurück und alles was zu tun ist, ist einfach zu SEIN!
So klar und so präsent fühle ich gerade alles, was ist. Zum ersten Mal verstehe ich Dinge, die ich schon lange weiß. Es ist als würden sich alle Schleier heben und das Licht hell leuchten. Da sind gerade so viele Glaubensätze verschwunden. So viel Bewertung über mich selbst hat sich gelöst. Es laufen Tränen, weil ich gerade spüre, wie sehr ich plötzlich alles das, was ist wirklich annehmen kann. Ich liebe mich gerade so viel mehr als jemals zuvor.
Mein Körper spricht laut zu mir. Sagt mir genau, was es braucht und was ich besser lasse. Ich spüre so klar, was zu tun ist. Der Wunsch nach Vitalität und Energie so groß. Und nachdem ich all das verstanden habe, belohnt mich mein Körper mit einem großen Energieschub.
Achtsamkeit! Darum sollte es gehen. Und ich denke es ist diese leise Stimme, die immer spricht und auf die wir nur zu hören brauchen. Was möchte ich jetzt tun? Was sollte ich jetzt essen? Wann sollte ich eine Pause machen? Welche Farbe hat der Himmel heute? Wie fühlt sich die nasse Wiese unter meinen Füßen an?
Hinschauen, Hören, Spüren. Kurz mal innehalten und einfach nur spüren. Körper und Seele sprechen mit uns. Sagen uns deutlich was sie brauchen, wenn wir den Verstand ruhen lassen und uns diesen kurzen, achtsamen Moment nehmen und einfach nur fühlen.
Ich sitze mit einem Kaffee auf der Couch und blicke raus. Alles ist still. Draußen fegt der Wind. Die Zweige der Bäume lehnen sich kraftvoll gegen ihn auf. Ich schaue in die Flamme einer Kerze, die ganz sanft hin und her tanzt. Ich atme tief ein uns aus. Ich spüre wie eine Welle der Entspannung durch meinen Körper fließt. Frieden! Alles ist gut.
Ich wünsche uns allen diese achtsamen Momente im Alltag. Diese Erfahrung und diese Erkenntnis wieder auf uns zu hören. Der inneren Stimme zu lauschen. Diese kurzen Momente der Ruhe zu genießen und aus ihnen Kraft zu schöpfen.
Es wird jemand sehr dankbar sein und dich belohnen. Nämlich du selbst!
Das hast du schön beschrieben. Mir geht es genauso. Ich spür mich schon länger nicht mehr. Und die Schönheit der Natur kommt gar nicht mehr an.