14. September 2024

Verbindung

Ich trage schon recht lange den Gedanken mit mir, ob ich diesen Artikel schreiben soll. Ist es anmaßend meine Meinung über dieses Thema zu äußern? Oder ist es dringend notwendig? Habe ich überhaupt die nötige Expertise? Ich weiß es nicht… Aber ich möchte es probieren.

Das hier ist meine Meinung. Meine Vision von gelebter Partnerschaft. Mein Wunsch für tief gehende Verbindung.

Niemand muss dem zustimmen, niemand muss sich angegriffen fühlen. Jeder darf seine Verbindungen in der Form leben, wie er es für richtig hält. Ich wünsche mir lediglich für alle Seelen dieser Welt eins: Tiefe, nährende und erfüllende Beziehungen auf allen Ebenen. Die Kraft für diese einzustehen. Und den Mut dafür loszugehen.

Ich selbst bin die, die vor knapp zehn Jahren entschieden hat eine Beziehung einzugehen und diese sogar mit einer Heirat zu krönen. Ich wollte das unbedingt. Hatte diese Entscheidung aus tiefstem Herzen getroffen. Ich war mir sicher mit dem passenden Menschen bis an mein Lebensende zusammen zu sein… Für immer eben… Ich hatte diese romantische Vorstellung von Hochzeit, Eigenheim, Kinder…? Ein glückliches, sorgenfreies Leben in einer gemütlichen Kleinstadt. Mit Gartenzaun und Schaukel. Grillabenden und Schützenfest.

Als gläubige Christin aufgewachsen im Umfeld der katholischen Kirche, war es für mich selbstverständlich kirchlich zu heiraten. Nichts bedeutete mir mehr als dieser Liebe einen kirchlichen Segen zu geben. Ich war mir sicher, dass dies mein Weg ist. Denn das größte Vorbild für all das sind meine eigenen Eltern. Eine Beziehung, der kein Sturm etwas anhaben kann. Die jedem Problem widersteht. Gemeinsam. Hand in Hand und voller Herzlichkeit. Der sicherste Hafen, den ich in meinem Leben haben durfte. Ein Ort an dem jedes Problem ehrlich und mit bedingungsloser Liebe angenommen und gelöst wird. 

Was also mache ich, wenn ich nachts wachliege und die Zweifel kommen? Immer und immer wieder? Immer öfter und immer lauter. Wenn ich spüre, dass meine Überzeugungen bröckeln. Das mein Traum langsam, aber sicher zu sterben beginnt? Ich habe lange weitergeschlafen. Ich habe es verdrängt. Es ging mir gut und schließlich wollte ich all das. Ich hatte mich dafür entscheiden.

Die Stimme wurde lauter und lauter. Und dann warst da plötzlich du, der mir Fragen stellte, dessen Antworten ich schon so lange in mir trug. Die Wahrheit, die ich kannte und mir nicht erlaubte zu hören. Die innere Explosion war mächtig. Der Rest ist Geschichte. Du liest  ihn zu Beginn dieses Blogs…

Heute stehe ich da und denke immer wieder darüber nach woran ich glaube. Was ist meine Wahrheit über Beziehungen und Partnerschaft? Was ist mein Wunsch und was sind meine tiefsten Bedürfnisse?

Erstmal war da Angst. Große Angst, dass mir das, was ich hatte, noch einmal passiert. Anderer Mann, neue Geschichte, gleiches Ende. Meine Angst davor war so groß, dass ich die Mauern um mein Herz so hochgezogen habe, dass niemand auch nur ansatzweise die Chance gehabt hätte hier einzudringen. Rückzug. In mich selbst. 

Wie kann es gehen? Was will ich?

Ich entfernte mich immer weiter von dem Gedanken sofort eine neue Beziehung haben zu wollen und kam immer mehr zu mir selbst. Eine Erkenntnis reihte sich an die nächste und ich musste feststellen, dass ich lange Zeit in dem Glauben war, nur eine Partnerschaft würde mich ganz machen. Eine Ehe würde aus mir einen anerkannten und guten Menschen machen. Nur ein Mann an meiner Seite würde mich zu einer richtigen Frau machen. Nur zusammen könne man dieses Leben bestehen.

Ich musste erstmal lernen und erkennen, wer ich als Mensch denn eigentlich sein will. Wofür bin ich hier, und was will ich beitragen in dieser Welt… Ich könnte sicher stundenlang erzählen wohin mich dieser Weg gebracht hat. Durch welchen Schmerz und wie viel Tränen. Doch auch das ist Geschichte. Du liest es hier in der Mitte des Blogs.

Vielmehr möchte ich meine Vision von Verbindung teilen. Meine Vorstellung von dem, was zwei Menschen auf anderer Ebene zusammenbringt, um die eigene Freiheit wirklich zu leben.

Heute bin ich die, die aus der Kirche ausgetreten ist. Doch deren Glauben so viel größer ist als er je zuvor war. Der Glaube an mich selbst. Der Glaube, dass mein Weg bestimmt ist und mich in völliges Glück und absolute Freiheit bringt, wenn ich nur allen Mut zusammennehme und gehe. Schritt für Schritt. Tag für Tag. Im Fluss des Lebens und im Vertrauen geleitet und geführt zu sein.

Ich glaube nicht mehr an das Konzept „Ewiger Liebe bis ans Ende unserer Tage“. Ich bewundere Verbindungen, die das schaffen. Und ich will auch gar nicht sagen, dass es nicht möglich ist. Aber ich glaube daran, dass uns jeder Mensch, der uns auf unserem Weg begegnet nur ein Stück begleitet. Wir haben Aufgaben miteinander zu lösen. Wir wachsen aneinander. Und dann gehen wir vielleicht eine ganze Weile zusammen, vielleicht auch nur ein kurzes Stück. Aber ich habe den Anspruch losgelassen einen Menschen bis zum Ende an mich zu binden. Ich glaube, dass man aus Verbringungen herauswächst. Und das ist ok. Das darf sein. Nur in der Freiheit uns jeden Tag neu zu entscheiden, wer wir sein wollen, können wir ganz bei uns sein und uns erst dann einlassen auf einen anderen Menschen.

Nähe leben kann ich nur, wenn ich mir selbst nah bin.

Lieben kann ich nur, wenn ich mich selbst liebe.

Zuhören kann ich nur, wenn ich mir selbst zuhöre.

Geben kann ich nur, wenn ich mir selbst gebe.

Vertrauen kann ich nur, wenn ich mir selbst vertraue.

Alles beginnt in mir. Alles. Es ist unfair, wenn ich von meinem Gegenüber verlange, mir etwas zu geben, was ich mir selbst nicht bereit bin zu geben. Oder zu verlangen, dass er Anteile in mir heilt oder liebt, wenn ich es selbst nicht tue.

Ich wurde geliebt. Ehrlich und echt. Doch die Worte „Ich liebe dich.“, drangen nicht mal zu mir vor, weil ich diese Liebe mir selbst gegenüber abgelehnt habe. Mich so ganz und gar nicht liebenswürdig fand. Liebe war in dem Moment für mich nur eine leere Hülle. Und dennoch wünschte ich mir so sehr, mich geliebt zu fühlen. Ich wusste aber gar nicht wie sich das anfühlen sollte.

Mein Gegenüber ist immer ein Spiegel meiner selbst. Es zeiget mir meine eigenen Wunden auf. Und so oft verlangen wir, dass jemand anderes etwas in uns heilt, was wir nur selbst heilen können.

In dem Moment als ich das verstanden habe, wusste ich, dass ich niemanden brauche um ganz zu sein. Dass ich niemanden brauche, um ein anerkannter und guter Mensch zu sein. Dass ich niemanden brauche, um eine richtige Frau zu sein. Dass ich niemanden brauche, um dieses Leben zu meistern. Mit all meinem Erleben weiß ich, dass ich stärker und mutiger bin als ich mir je hätte erträumen können. Und dass es möglich ist, sich so sehr selbst zu lieben, dass es niemand anderes tun muss.

Ich werde diesen Moment nie vergessen, in dem ich zum ersten Mal völlig bei mir war. Glücklich, frei, unabhängig, schön. Da passierte diese Magie echter Nähe, tiefer Verbindung und dem Gefühl von „Ich darf sein, einfach sein. Alles darf sein.“

Das ist meine Vision von Verbindung und Partnerschaft. Dafür gehe ich los und nichts anderes möchte ich mehr zulassen. Eine Trennung ist für mich kein Scheitern. Es ist ein Weitergehen auf dem eigenen Weg. Die Erkenntnis und die Erlaubnis der eigenen inneren Stimme zu folgen. Und der Mut die Richtung zu ändern. Immer und immer wieder…

Vielleicht sogar erstmal alleine zu gehen. Die eigene Wahrheit zu entdecken und all die Überzeugungen zu überprüfen, die man so tief in sich trägt. Und vor allem zu entdecken, dass man auch alleine vollständig ist und sich selbst genug sein kann.

Und dennoch ist es schön! Ja! Sicherlich ist es schön dieses aufregende Leben gemeinsam zu erleben. Aber nicht mit dem Anspruch, dass ich es „brauche“. So nehme ich alle Erwartungen von meinem Gegenüber weg und übernehme selbst die volle Verantwortung für mich, meine Geschichte und meine Überzeugungen und Glaubenssätze. Ich muss nichts bei dem anderen abladen und wilde Verhandlungen führen. Beziehungen der alten Zeit bestehen für mich aus Verhandlungen. Sie bestehen aus wenn, dann Forderungen. Wenn du dies tust, dann tue ich das. Wenn ich jenes tun soll, dann musst du aber das für mich tun…

Wenn ich frei von all dessen bin und meine Wunden selber heile, dann bin ich offen für eine Verbindung, die fern von jeder Oberflächlichkeit bereit ist tiefer zu tauchen. Eine Verbindung der neuen Zeit braucht keine Verhandlung. Kein Betteln nach Nähe, Vertrauen und Liebe. All das entsteht von ganz alleine. 

Dann ist es möglich sich zu begegnen. Sich wirklich zuzuhören. Gespräche zu führen, die mich nähren, mich träumen lassen, mich triggern und wachsen lassen. Dann ist es möglich sich wirklich nah zu sein. Verletzlich zu zeigen. Offen, ehrlich mit allem was da ist. Dann ist es möglich eine Intimität zu erleben, die keine Scham und keine Zurückhaltung kennt.

Das ist mein Wunsch. Und ich bin überzeugt davon, dass es möglich ist. Wie viel mehr Frieden, Liebe und Nähe wäre möglich in dieser Welt, wenn wir alle zunächst bei uns selbst anfangen. Uns selbst glücklich machen und aufhören von anderen zu verlangen unsere Arbeit zu machen. Uns selbst zu lieben und nicht mehr verlangen zuerst geliebt zu werden. Uns selbst nah zu sein und aufhören um Nähe zu betteln.

Wenn ich meine Wahrheit lebe, meine Wunden heile und meine Verletzlichkeit zulasse, meine Schwäche zeige und mein Licht leuchten lasse, dann entsteht Liebe. Denn Liebe entsteht in mir!

1 Comment

  • ❤️❤️❤️❤️❤️❤️❤️❤️❤️❤️❤️❤️❤️❤️❤️
    Wow….
    Du sprichst so wahr…
    Ich finde gerade keine Worte…

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