11. Mai 2025

Rollenspiel

Seitdem ich auf dieser Reise bin, spüre ich fast jeden Tag, wie ich mich verändere. Gedanken, Muster, Verhaltensweisen. Alles ändert sich ständig. Das ist anstrengend, denn mein Wunsch nach „ankommen“ wird immer getrieben von „weitergehen“. Dem Gefühl immer noch nicht fertig zu sein. Immer noch nicht zu sein. Und in all dieser Aufruhe haben ich dann oft den Drang und das Verlangen mich zu verändern: Äußerlich, weil ich nicht greifen kann was dieses Gefühl in mir bedeuten soll. Kleidung. Haarfarbe. Aussehen. Das geht ganz leicht. Und immer, wenn ich das getan habe, dann ist es doch so gleich. Manchmal sogar ein bisschen enttäuschend, wenn ich mich mit der neuen Frisur oder der neuen Brille noch immer genauso fühle wie vorher. Dabei spüre ich doch so sehr, dass dieses ICH ein anderes ist. 

Vor kurzen bin ich dem Ganzen auf die Schliche gekommen. Bei der Suche nach einer Datei sind mir alte Fotos in die Hände gefallen. Ich sitze dann gerne stundenlang vor dem Laptop und scrolle mich durch alte Urlaube, Feiern und andere Fotos. Immer wieder fallen mir auch Hochzeitsfotos und Fotos von Schützenfesten vor die Füße. Oft erzeugt das ein bisschen Wehmut an die Zeit, die wir hatten. Und dann erkenne ich immer klarer, wie weit ich auf meinem Weg schon gekommen bin. 

Ich bin ein anderer Mensch. Ich bin nicht mehr die auf den Fotos von damals. In diesen Tagen erschrecke ich mich fast vor mir selbst. Ich ertappe mich dabei, wie ich mir diese Susanne zurückwünsche. Strahlend, schön, schlank. Dieses äußere Bild, dass ich so gerne zurückmöchte. Und mitten in meine Gedanken platzt die Erkenntnis. Ich hätte es selber fast gar nicht erkannt. Die strahlende, schöne, schlanke Frau auf diesen Fotos spielt eine Rolle. Eben diese. Strahlend, schön, schlank. Aber hinter ihrer Fassade ist nichts als Leere. Ein Blick ins Nichts, versteckt hinter perfekt sitzendem Make-Up. 

Ich habe funktioniert, ich habe alles gegeben, ich habe geliebt und ich habe gefallen. Ich wollte das so sehr und ich habe es auch genossen. Doch wenn ich heute darüber nachdenke, wie ich mich damals gefühlt habe, dann muss ich mir eingestehen, dass ich gar nichts gefühlt habe. Versunken in dieser Rolle. Tag für Tag. Angestrengt, angepasst, aufgepasst. 

In mir war immer nur diese eine leise Stimme, die ich nicht verstehen konnte. Es war als würde sie eine andere Sprache sprechen. Und immer war da dieser tiefe Wunsch nach Lebendigkeit, Verletzlichkeit, Authentizität, Ehrlichkeit. Und dem Mut dieser leisen Stimme endlich einen Raum zu geben, sie wirklich zu verstehen. Es hat noch sehr lange gedauert bis sie immer lauter wurde und ich sie letztlich nicht mehr überhören konnte. Es kam der Tag an dem sie laut und deutlich zu mir gesprochen hat. 

Heute kann ich all das annehmen – voller Mitgefühl. Ich bin stolz auf diese Zeit, in der ich diese Rolle so perfekt verkörpern konnte. All meine Auftritte waren echt und ehrlich. Denn ich habe es damals nicht besser gewusst. Und es brauchte genau das auf diesem Weg, um heute erkennen zu können, dass die Susanne hinter dieser Fassade eine andere ist. 

Heute gibt es keine Fassade mehr. Ich habe alle Masken fallen lassen. In meinem Blick ist tiefes Vertrauen und der stetige Mut mit dem Leben zu fließen. Alles anzunehmen. Echt, ehrlich und authentisch. Mein Lachen kommt aus der Tiefe meines Herzens, genauso wie meine Tränen. Ich erlaube mir alle Gefühle. Und es ist so unglaublich erleichternd nichts mehr zurückhalten zu müssen. Ich erlaube mir Wut, Trauer, Enttäuschung. Ich erlaube mir Lust, Liebe und Genuss. Ich erlaube mir Wahrheit und Ehrlichkeit. Ich erlaube mir der Mensch zu sein, der ich im Grunde immer schon war. 

Ich erlaube mir auch das Vertrauen in meine energetischen Fähigkeiten. Diese feinen Sinne, die so oft schon vorher fühlen, was kommt. Ich erlaube mir auf meine innere Alarmanlage zu hören. Dieses dumpfe Gefühl, das mich warnt, wenn etwas nicht gut für mich ist. Ich erlaube mir all diese Sinne wieder wahrzunehmen. Denn ich habe gelernt auf diese leise Stimme in mir zu hören. Meine Seele spricht immer mit mir, zu jeder Zeit. Alles was ich tun muss ist zu hören und folgen. 

Und natürlich bin ich manchmal noch taub auf diesem Ohr. Höre im Trubel des Alltags nur den Lärm, der mich lähmt. Bin wieder gefangen in alten Mustern. In Glaubenssätzen, was man so tut und was man auf gar keinen Fall machen kann. Dann liefert mein Körper prompt Verspannungen und Schmerzen. Und mitten in meinem Selbstmitleid höre ich mich dann plötzlich meine Wahrheit sprechen. Klar und mit einer Deutlichkeit, die mich bisweilen selbst überrascht. Da ist keine Angst mehr jemanden zu verlieren oder vor den Kopf zu stoßen. Da ist auch kein Vorwurf. Da ist nichts als radikale Ehrlichkeit und Selbstverantwortung. Dann entspannt sich alles in mir und wieder fällt eine Schicht ab. Und noch eine, Und noch eine. Immer tiefer zum wahren Kern. 

Denn was ist, wenn wir einfach annehmen was war und alles Geschehene als Teil unserer Geschichte anerkennen. Was ist, wenn wir keine Angst mehr haben etwas falsch zu machen, nicht zu gefallen oder andere zu verletzten? Was ist, wenn wir uns einfach erlauben, radikal ehrlich zu sein und auf die Stimme unserer Seele zu hören? Was ist, wenn wir uns erlauben diesen Weg einfach zu gehen und darauf vertrauen, dass alles so kommen wird, wie es sein soll? Was ist, wenn wir die Kontrolle einfach abgeben und stattdessen Verantwortung für uns selbst übernehmen? 

Ich kann sagen, es ist gut! Verdammt gut. Ich hab es ausprobiert. Es geht nicht ums Ankommen, es geht nichts um anders sein. Es geht nicht darum, irgendetwas tun zu müssen, um etwas zu erreichen. Es geht nicht darum, ständig das Außen zu verändern, um sich besser zu fühlen. 

Es geht einzig und alleine darum zu SEIN. Einfach nur zu sein. Die Zügel aus der Hand zu geben und dem Leben zu vertrauen, dass zur richtigen Zeit die richtigen Dinge passieren. Alles um uns ist Energie. Was wir aussenden, kehrt zu uns zurück. Immer!

Immer dann, wenn ich mir das bewusst mache, weil ich mal wieder nicht zugehört habe, heilt ein Teil in mir. Ein verletztes inneres Kind, das mit 14 Jahren vielleicht nicht so viel Pizza hätte essen sollen. Eine Frau Mitte 30, die vielleicht mal hinter der Fassade hätte hervorschauen sollen. Ein Mensch, der es einfach nicht besser wusste…

Und dennoch war als das nötig, um heute die zu sein, die ich bin. Es sind die Erfahrungen, die uns prägen. Und deshalb feiere ich heute mich. Die Frau, in der Rolle  ihres Lebens: Frei, verbunden und verletzlich! 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner