Ich bin müde… Mir wird das hier alles zu viel. Das Fass ist kurz vorm Überlaufen. Das Fass der Selbstoptimierung. Das Streben nach der immer nächsten Stufe auf dem Weg der persönlichen Entwicklung. Noch ein Kurs hier, noch einer da. Noch ein Buch, noch ein gut gemeinter Ratschlag. Jeder weiß es besser. Jeder weiß, wie dieses Leben geht. Tu dies, träum das, denk groß. Zeig dich, macht dich sichtbar. Geh in diese Energie, komm aus jener Energie.
Ich kann nicht mehr. Ich bin müde… Am liebsten würde ich mich verkriechen und schlafen. Sehr lange und sehr viel. Meine Energie ist am Ende und mein Körper auch. Gerade der schreit seit geraumer Zeit nach Aufmerksamkeit. Schenkt mir nun einen kaputten Rücken, ein schiefes Becken und krumme Füße als Bitte doch nun endlich einmal aufzuhören. Aufzuhören mit der ständigen Selbstoptimierung. Und anzufangen, sich um ihn zu kümmern.
Die letzten zweieinhalb Jahre waren eine wilde Achterbahnfahrt. Wenn ich daran zurückdenke, wird mir immer noch schlecht von all den Loopings und freien Fällen. Ja, das war selbst gewählt. All das habe ich mir kreiert. Und es war auch wichtig! Ich bin unglaublich dankbar für jeden Tag dieser Zeit. Für jede Erfahrung und jede Erkenntnis. Und es macht unglaublich viel Spaß sich mit jedem Mal ein Stück tiefer zu begegnen. Sich selbst näher zukommen. Durch Schmerz, Leid, Freude und Glück. Einzutauchen in die eigene Wahrheit. Es macht sogar immer dann Spaß, wenn man das Gefühl hat kurz vor dem Ende zu sein, um doch wieder festzustellen, dass man an einem neuen Anfang steht.
Ich vertraue dem Leben tief, mit allem, was ich habe. Ich weiß, dass ich getragen bin. Jetzt ist der Moment gekommen, einfach nur zu sein. Seit ich hier auf meinem Balkon sitze und jeden Abend die Weite des Universums in all seiner Kunst am Himmel beobachte, weiß ich, dass es nichts mehr zu tun gibt. Alles ist gut, so wie es gerade ist. Ich habe das hier geschafft und mir kreiert. Nein, es ist nicht die große Vision, es ist noch nicht das Ende aller Träume. Aber es ist jetzt gerade und in diesem Moment alles gut – so wie es ist. Ich bin unglaublich dankbar dafür und glücklich damit. Es ist der perfekte Ort für eine Pause auf der Reise meines Lebens.
Ich möchte hier sitzen und all das genießen. Einfach nur sein. Zum ersten Mal seit sehr langer Zeit. Vielleicht zum ersten Mal in meinem Leben. Ich möchte zur Arbeit gehen und ich möchte Feierabend machen. Ich möchte am Wochenende im Bett frühstücken und lange schlafen. Ich möchte all das jetzt einfach tun. Nur für mich. Und das heißt nicht, dass ich keine Träume habe, dass ich nicht diesen Wunsch nach einem freien Leben habe. Einem vielleicht völlig anderen Leben.
Aber ich habe gelernt, dass es ok ist, jetzt hier eine Pause zu machen und einfach nur zu sein. Die Akkus aufzuladen, den Körper zu pflegen und zu heilen. Ich möchte mit meinem Kaffee in der Sonne sitzen und jeden Tag stolz darauf sein, wie weit ich schon gekommen bin. Und es ist ok, wenn die Schritte langsamer werden und ich mich einfach mal setze und genieße. Denn nur dann kann man auch die Schönheit um sich herum sehen. Nur dann passieren Dinge, die ich in Hast, Eile und Wahn nicht erkenne.
Ich habe das Gefühl, dass in mir ein neues Ich heranwächst. Sich dieses Ich langsam und Schritt für Schritt aus seinem Cocon quält. Ich kann noch nicht genau spüren wie es wird, aber ich habe dieses Bild vor Augen. Von einem völlig anderen Menschen. Doch ich weiß, dass ich das bin. Kraftvoll, vital und gesund. Strahlend und voller Energie. Um mich herum stehen Menschen, die mich jeden Tag ermuntern dieses Leben in Freiheit zu leben. Das ist ein schönes Bild.
Doch dafür darf ich loslassen. All den alten Ballast, all die alten Bewertungen. All die alten Muster, in die ich immer wieder zurückfalle. Ich darf klare Grenzen setzen und immer wieder hinterfragen, wer mir Energie gibt und wer mir welche nimmt. Darf achtsam und wachsam sein. Und immer wieder zu mir selbst zurückkehren.
All dieses Erkennen begann mit meinem Schlüsselerlebnis. Mein Kellerschlüssel war verschwunden. Ganz plötzlich. Obwohl er immer am selben Platz liegt. Damit eben genau das nicht passiert. Ich konnte ihn nicht finden und besorgte mir einen Ersatzschlüssel. Nach wenigen Tagen war auch der weg. Spurlos verschwunden. In meiner Verzweiflung ließ ich den Schlüssel suchen. Im morphischen Feld. Dem allwissenden universellen Feld 😉 Es lebe die Energiearbeit… Schnell war klar, dass es hier nicht um den verloren Schlüssel geht. Es geht um die Tür. Die Tür durch die ich gehen muss, mich aber noch nicht traue. Die Tür hinter der das Leben ist.
Ich mag dieses Bild, denn es passt sehr gut zur aktuellen Situation. Einen Teilerfolg konnte ich auch schon erzielen, denn zumindest einer der beiden Schlüssel ist in der Zwischenzeit wieder aufgetaucht.
Es schließen sich Kreise, es enden Zyklen. Mein Geburtstag war der Anfang all dessen. Nun geht der Juli zu Ende. Das halbe Jahr ist um. Alle Energien im Kosmos stehen auf Abschluss und Neubeginn. Es ist genau das, was ich meine. Sich hingeben und in dem Fluss des Lebens schwimmen. Da dürfen Menschen gehen, denn es kommen Neue. Da dürfen Dinge gehen, denn es kommen Neue. Da dürfen Erkenntnisse gehen, denn es kommen Neue. Ich halte nichts mehr fest. Ich lasse alles los, denn ich weiß, dass etwas Neues für mich kommt.
Und bis ein neues Abenteuer auf mich wartet, sitze ich hier mit meinem Kaffee auf dem Balkon und schaue in den Himmel. Genieße die Unendlichkeit des Universums und weiß, dass ich genug bin.
Hier, jetzt und für immer!